Chambéry am wunderschönen Lac de Bourget war das Ziel der ersten Etappe unserer Reise von Bamberg nach Vinon sur Verdon, dem aktivsten Segelflugplatz der Welt. Willy Seucan und ich trafen uns am Morgen des 20. Juli auf der Breitenau; die Koffer waren gepackt, die Flugpläne übermittelt, die ICAO-Karten mit dicken bunten Strichen versehen. In freudiger Erwartung der sonnigen Alpenlandschaft, die uns am Ende unserer Reise erwarten sollte, ließen wir den Motor an und starteten. Nach dem Abflug nach Südwesten stiegen wir auf Flugfläche 85 und durchquerten den Luftraum D in Stuttgart, bevor wir über die Grenze nach Süden in die Schweiz flogen. Dann ging es durch den Luftraum Zürich über das VOR Willisau und Bern zum Genfer See; der Anblick des Genfer Sees vor uns, zur Rechten Lausanne, zur Linken die mächtigen Alpen mit dem Mont Blanc, dessen schneebedeckter Gipfel am Horizont in den Himmel ragt, ist absolut majestätisch. Auch der Anflug auf die Piste 36 in Chambéry über den Lac de Bourget, den wir kurz nach dem Genfer See erreicht hatten, ist traumhaft schön. Nach einer kurzen Pause in Chambéry machten wir uns auf zu unserem zweiten Etappenziel: Vinon sur Verdon.

Unsere Weiterreise führte uns über die Waypoints Grenoble und Montmeilleur durch die Täler der Französischen Alpen vorbei an den Segelflugplätzen Aspres, Serres und Sisteron, bevor wir Vinon im lieblichen Tal der Durance erblickten. Vinon ist ein Leistungszentrum des französischen Segelflugs: Sieben Landebahnen und 60 Segelflugzeuge begrüßten uns bei unserer Landung.

In Vinon trafen wir unseren Fliegerkameraden Eckard Sestak, der zurzeit mit dem Wohnmobil auf Rundreise in Südfrankreich unterwegs ist. Er konnte uns ein Zimmer im Segelfluglager organisieren; ein spartanisches Zimmer mit Stockbetten, was Willy und ich nicht mehr gewohnt waren, aber es passte gut zu dem Gefühl von Freiheit und Abenteuer. Die nächsten drei Abende verbrachten wir in gemütlichem Beisammensein am Flugplatz Vinon.
Tags darauf (Dienstag) stiegen wir in die WT-9 und flogen nach Barcelonnette. Der Anflug ist sehr spannend, nachdem Barcelonnette auf 3.714 Fuß Höhe in einem engen Tal liegt und man den Grande Séolane, den 9.543 Fuß hohen Berg vor dem Flugplatz, umfliegen muss; ein Überfliegen des Berges mit anschließendem Hinunterdonnern nach Barcelonnette ist ausgeschlossen. Wir flogen über den Lac de Serre-Ponçon vom Westen her in das Tal von Barcelonnette ein, überflogen den Flugplatz und landeten auf der Piste 28 in Richtung Westen.

Barcelonnette ist praktisch ein reines Segelfluggebiet. Beim Rückflug nach Vinon am gleichen Tag über Gap, Sisteron und Saint Auban standen wir in engem Kontakt mit dem Service d'information de vol, dem französischen Fluginformationsdienst. Die Mitarbeiter des SIV sind sehr freundlich und zuvorkommend; sie gaben uns allerhand nützliche Informationen über Flugplätze und Lufträume auf unserer Route.
Tag 3 (Mittwoch): Geplant war ein Flug nach Calvi auf der Insel Korsika. Die Route verlief von Vinon aus direkt südwärts in Richtung Toulon, dem Hauptstützpunkt der französischen Marine, von wo aus wir die Küstenlinie der Côte d'Azur erreichten. Dort gibt es einen sehr schönen und empfehlenswerten VFR-Weg über die Meldepunkte WT, PT, ST und ET bis zum VOR Saint-Tropez (STP). Beim VOR STP gings dann übers offene Meer, Kurs ca. 100-110° über die Waypoints Lerma, Omart, Merlot, XC und WC. Praktischer Tipp beim Fliegen übers Meer: Ein bisschen Übung im Fliegen mit künstlichem Horizont schadet nicht, da der echte Horizont bei bestimmten Wetterlagen völlig mit dem Meer verschwimmt.

Calvi ist eine sehr schöne und sehenswerte Stadt mit einer wunderbaren Zitadelle, einer atemberaubenden Bucht und einem Hafen voller Yachten. Außerdem ist Calvi ein Stützpunkt der Fremdenlegion. Ich bin nicht zum ersten Mal hier; Calvi hat zurzeit wesentlich weniger Touristen als sonst, wahrscheinlich aufgrund von Corona. Unser Rückflug nach Vinon führte über Saint-Tropez und das NDB Le Luc. Die Strecke ist durch das Wegfallen des Sightseeings an der Küste eine halbe Stunde kürzer als auf dem Hinflug.

Am Donnerstag war es soweit, den Rückflug nach Bamberg anzutreten. Bei bestem Wetter flogen wir auf der gleichen Route direkt von Vinon nach Bamberg zurück, auf der wir hergekommen sind. Nach 15 Stunden in der Luft, vier Tagen Alpen und Meer bei bestem Wetter und einem traumhaften Urlaub in Südfrankreich sind wir gesund wieder zuhause angekommen. Dieser Flug war ein Abenteuer, den man als eine gewisse Wanderung sehen muss; man kann keine Hotels vorbuchen, da man nicht weiß, ob man ankommt, man muss sich mit dem begnügen, was man vorfindet – man muss die Sache südländisch anpacken und sich der mediterranen Mentalität anpassen. Die Menschen in Südfrankreich sind im Großen und Ganzen sehr freundlich und helfen einem weiter, wo es nur geht. Wir sind sehr froh, diese Reise erlebt haben zu dürfen, und halten die Zeit in guter Erinnerung.
Hier noch einige Bilder von unserer Reise:



