Aero-Club Bamberg e.V.

Flugplatz Bamberg-Breitenau

SA / SO / Feiertags

09:00 - SS (max. 19.00 Uhr)

+49 951 45 1 45

Erreichbar bei Flugbetrieb

Zeppelinstraße 18

96052 Bamberg

Ein kleine Handlung hat fatale Folgen!

Unsere Fliegerkameraden Gerhard, Franz, Max und Kay nutzten das Wellenfenster im Thüringer Wald, um die Landschaft aus großer Höhe zu bewundern. Hier der zweite Teil von Gerhards Erlebnisbericht.

Fortsetzung von Die perfekte Welle

Der Jumbo hat mich überrascht. Schnell hab ich meine GoPro genommen und hab versucht, den Augenblick im Bild festzuhalten. Leider kommt durch das Weitwinkelobjektiv der GoPro die Nähe zur 747 nicht zur Geltung, aber egal.
 

Alles noch im grünen Bereich. Ich genieße die Aussicht.
Alles noch im grünen Bereich. Ich genieße die Aussicht.

In regelmäßigen Abständen überprüfe ich immer wieder die Funktionsfähigkeit meiner Sauerstoffanlage, den Schlauch und den Sitz der Nasenkanüle. Ich vergegenwärtige mir nochmal, in welche Tasche ich die Ersatzbatterien für das Sauerstoffgerät gepackt habe. Ab einer Höhe von 12.000ft darf/kann man nicht mehr ohne Sauerstoffanlage fliegen. Man muss sich aber bewusst machen, dass diese Grenze willkürlich zu “Kriegszeiten” festgelegt wurde und mit der menschlichen Physiologie nichts zu tun hat. Manch einer bekommt schon in weit geringerer Höhe Herzklopfen, während andere den Mount Everest ohne Sauerstoff besteigen. Jeder Mensch reagiert anders. Von meinem Selbstversuch vor ein paar Jahren in FL 190 erzähl ich ein andermal.

Auf dem langen und langsamen Weg in der Welle nach oben hat man viel Zeit nachzudenken. Mir ist bewusst, dass ich mich in dieser Höhe besonderen Gefahren aussetze. Der Sauerstoffpartialdruck ist in dieser Höhe so gering, dass bei einem Ausfall meines Stoffgerätes nur ca. 3 bis 5 Minuten bis zur Bewusslosigkeit und damit auch nur diese Selbstrettungszeit bleiben. D.h. in dieser Zeit kann ich Maßnahmen ergreifen, die dazu geeignet sind, auch bei Bewußtlosigkeit den sicheren Abstieg in tiefere, sauerstoffreichere Zonen durchzuführen. Unwillkürlich fällt mir eine Erzählung meines ersten Motorfluglehrers vor mehr als 20 Jahren ein. Dieser war mit 19 Jahren Anfang der 60er Jahre einer der ersten Jetpiloten bei der Bundeswehr und ist dort die F-86 geflogen: “Im Training haben wir den Sauerstoffausfall im Flug simuliert: In der Selbstrettungszeit musste man das Triebwerk auf Idle bringen, den Knüppel an den Bauch ziehen und krampfhaft gezogen halten. Der Flieger würden dann aus einem Mischmasch von Looping und Spiralsturz ohne Überlastung nach unten stürzen… und dann blieb einem noch die Hoffnung, dass man wieder zu Bewußsein kam, bevor man auf dem Boden aufschlug.” Na Klasse, warum fällt mir das gerade jetzt ein? …und was nützt mir das? Dennoch gehe ich in Gedanken den Fall durch: Sauerstoffausfall! Aus Erfahrung im Kunstflug weiß ich, dass man die ASK 21 mit voll gezogenen Klappen auf die Nase stellen kann (ca. 50m/s Sinken) und sie erreicht nicht die Vne (maximale Geschwindigkeit, bevor der Flieger überlastet wird und ggf. in der Luft auseinanderbricht). Ich habe mir schon mehrmals die Sinnhaftigkeit der Verriegelung der Klappen in voll ausgefahrener Stellung in meinem Flugzeug zu erklären versucht. Plötzlich ist mir eine vielleicht lebensrettende Anwendung eingefallen, die einem irgendwann einmal von Nutzen sein könnte!
 

In 6.800m mag selbst der Kugelschreiber nicht mehr richtig seine Arbeit machen
In 6.800m mag selbst der Kugelschreiber nicht mehr richtig seine Arbeit machen

Ich hab das Wellenfenster hinter (unter) mir gelassen und bin jetzt in FL 225 (ca. 6.800m Höhe). Meine Freigabe von München Radar reicht bis FL 230 (über 7.000m). Der Jumbo ist durch und ich erwarte eine weitere Höhenfreigabe. Ich steige noch immer mit 0,5m/s. Ich mache mir bereits einen Plan für den nächsten Vorflug gegen den Wind, um auch die letzte Wolke über mir zu erklimmen. Die Außentemperatur beträgt -25 Grad. Mir fröstelt plötzlich. Ich ziehe mir ein Tuch über die Nase, um mein Gesicht vor der Kälte zu schützen. Ohne weiter nachzudenken mache ich die Lüftugsklappe zu, um die kalte Luft nicht mehr ins Cockpit zu lassen… ein fataler Fehler! Augenblicklich beschlägt meine Brille durch den Atem, der sofort an den Brillengläsern festgefriert. Ich nehme die Brille ab, um sie abzuwischen, bemerke aber, dass sie mit Eiskristallen belegt ist und ich damit nicht mehr sehen kann. Ich stecke die Brille zum Auftauen in meine Jacke und suche meine Ersatzbrille. Die Mitnahme einer Ersatzbrille ist für Brillenträger Pflicht. Erst vor wenigen Wochen wurde ich vom Luftamt nach einem Flug kontrolliert und der nette Herr wollte auch meine Ersatzbrille sehen. Damals entlockte mir die Ersatzbrillenpflicht nicht mehr als ein verständnisloses Lächeln. Heute bin ich schlauer. Als ich die Ersatzbrille endlich aufsetzen konnte, erkenne ich, dass inzwischen fast die gesamte Cockpitscheibe mit Eiskristallen beschlagen ist. Nur die vordersten 50cm der Haube waren noch frei. Schnell öffne ich wieder die Lüftung, um den Eisansatz zu stoppen. Das gelingt mir auch, aber die Sicht nach außen ist fast auf Null gesunken. Nur noch ein kleines Gucklock nach vorn ist mir geblieben. Intuitiv blende ich mir den künstlichen Horizont ins Display des LX9000 ein. Ich halte es einfach zu diesem Zeitpunkt für eine gute Idee. Und schon wirds dunkel im Cockpit. Sofort realisiere ich, ich bin in die Wolke eingeflogen. Durch den Trouble mit der Brille und dem Eisansatz habe ich meine Aufmerksamkeit vom “Flugzeugfliegen” ablenken lassen. Ich leite eine sanfte Linkskurve auf Südwestkurs ein. Nach wenigen Augenblicken wird es wieder hell im Cockpit. Nach vorne kann ich wieder den blaugrauen Himmel erkennen.
 

Eis im Cockpit. Diese Aufnahme ist erst entstanden, als die Krise gemeistert war. Aber sie gibt einen Eindruck von dem Geschehen.
Eis im Cockpit. Diese Aufnahme ist erst entstanden, als die Krise gemeistert war. Aber sie gibt einen Eindruck von dem Geschehen.

Ich denke gerade, dass alles wieder gut ist, als ich bemerke, dass mein Herz rast und mir ganz heiß wird. Ich schiebe diese Reaktion auf die Aufregung und glaube, dass ich etwas überreagiere und sich das gleich wieder beruhigen wird. Stattdessen ertönt der Alarm des Sauerstoffgerätes: Sauerstoffausfall!!! Das Gerät erkennt nicht die Ursache, sondern nur, dass bereits 45 Sekunden kein Sauerstoff mehr entnommen wurde. “Klappen ziehen! Knüppel an den Bauch!” …durchfährt es mich. Aber bevor ich den “Ausführunsbefehl” gebe, bremse ich mich ein und beruhige mich erst mal. Eine schnelle Untersuchung des Sauerstoffsystems zeigt mir, dass ich die Nasenkanüle herausgezogen habe, als ich mir das Tuch über das Gesicht zog. Ich repositioniere die Nasenkanüle, schalte das EDS-Sauerstoffgerät in den Notfallmodus und verharre erst mal still in meinem engen Cockpit. Mit tiefen Atemzügen versuche ich möglichst viel Sauerstoff aufzunehmen. Bereits nach wenigen Sekunden bemerke ich eine Besserung der Herzfrequenz und ein Abflauen der Hitzewallung.
 

Die Sonne streut ihr Licht in den Eiskristallen, was die Sicht nach außen nicht verbessert
Die Sonne streut ihr Licht in den Eiskristallen, was die Sicht nach außen nicht verbessert

Die Stille im Cockpit wird durch eine Stimme aus dem Funkgerät jäh unterbrochen. München Radar fragt nach, ob ich die Freigabe bis FL 230 noch benötige? Ich stutze kurz, hab ich doch eine Freigabe bis FL 250 erwartet. Ich schaue auf den Höhenmesser. Durch den Trouble bin ich aus der Steigzone gefallen und habe jetzt 1,5m Sinken auf dem Vario. Ich bin noch in FL 215. Die Anfrage von München Radar sehe ich als einen Wink meines Schutzengels, der mir sagt: “Lass es für heute gut sein!”

Ich bestätige, dass ich FL 230 nicht mehr benötige und frage nach einem “descent direct to Bamberg”. Der Lotse vertröstet mich (“standby, I call you back”). Nach ca. einer Minute meldet sich der Lotse wieder und gibt mir eine neue Frequenz. Ich melde mich auf der neuen Frequenz (“München Radar, D-KEBU”) und bekomme augenblicklich die Freigabe, das Wellenfenster nach Süden zu verlassen (“D-KEBU, I have your details, leaving wave area direct to Bamberg approved”). Ich wundere mich, dass ich keinen Squawk bekomme, sondern auf 7000 bleibe. Aber das mag wohl das Ausrufezeichen für den Lotsen auf seinem Radarschirm sein, dass er unter all den Verkehrsmaschinen einen Segelflieger zu betreuen hat. Ich gleite im “Blindflug” langsam mit ca. 120km/h Richtung Bamberg. Da über mir keine Wolken mehr sind, lösen sich auf der sonnenzugewanden Seite der Scheibe die Eiskristalle auf. Die dunkel lackierte Instrumentenpilzabdeckung tut ihr übriges. Ich habe wieder freie Sicht nach draußen.

Die Höhe nimmt nur langsam ab. Über Bamberg habe ich immer noch 4.000m. Eine Höhe, die man im “normalen” Flugbetrieb mit dem Segelflugzeug nicht erreicht. In 3.000m melde ich mich bei München Radar ab und bedanke mich für ihren Service. Die letzten Höhenmeter vernichte ich, indem ich noch eine große Schleife über meinem Heimatort fliege. Die Landung um 14.40 UTC in Bamberg war nun noch die letzte Pflichtaufgabe, die diesen Flug zu einem guten Ende gebracht hat.
 

Der Flieger steht wieder vor seinem Stall. 30 Minuten später ist er eingepackt.
Der Flieger steht wieder vor seinem Stall. 30 Minuten später ist er eingepackt.

Es sind gerade diese Flüge, die einem unvergesslich in die Erinnerung eingebrannt werden und die das Segelfliegen so spannend machen. Kein Flug ist wie der andere. Es gibt immer neue Herausforderungen. Ich liebe es!

PS: Meine Freunde vom AC Bamberg (Max, Franz und Kay) haben sich ebenfalls in der Welle getummelt. Franz war ohne Sauerstoff unterwegs und deshalb in seinen Möglichkeiten begrenzt. Kay war auf 5.000m. Max hatte einen Absitzer und brauchte einen zweiten F-Schlepp. Aber er wäre nicht der Max, den ich kenne, wenn er sich nicht auch an diesem Tag noch kurz vor Sonnenuntergang auf FL 200 gekämpft hätte. Bei Dunkelheit, im Scheinwerferlicht der Autos haben sie ihre Flieger abgebaut und sind spät in der Nacht heimgekommen. Klasse!

Flug von Kay
Flug von Max
Flug von Gerhard

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