Meine Geschichte beginnt irgendwann im September 2011. Eigentlich hatte ich den Traum vom Fliegen aufgrund der Notwendigkeit einer Brille schon ad Acta gelegt. Mehr oder weniger zufällig bin ich 2021 in einem der einschlägigen Fliegerforen im Internet über eine Diskussion gestolpert, die aufzeigte, dass das Thema umkorrigierte Sehschärfe seit einiger Zeit bei der fliegerärztlichen Untersuchung kaum noch Relevanz hat. Also konnte das Abenteuer doch noch beginnen. Kurze Zeit später startete ich die Ausbildung auf der D-KACD, unserem Motorsegler. Leider hatte dieser im Winter 2021 einige technische Probleme und ein Wechsel in die Motorflugausbildung war der nächste Schritt. Am 01.01.2022 begann die Ausbildung auf unserer WT-9.
Nach der Prüfung
Am 11.05.2022 konnte die Prüfung in Herzogenaurach erfolgreich abgeschlossen werden. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich für meine LAPL-A Ausbildung ungefähr 40 Stunden Blockzeit mit unseren Fluglehrern im Cockpit verbracht. Drei Tage später war die Lizenz im Briefkasten und irgendwie stellte sich zunächst eine gewisse Leere ein. Meist bedeutete der Flugunterricht nicht nur das Erlernen von neuen Dingen, sondern auch gute Unterhaltungen und interessante Gespräche.
Jetzt aber stellte sich die Frage, was man in den ersten Wochen und Monaten als frisch gebackener Jungpilot um Erfahrung zu sammeln anstellen könnte. Wichtig waren mir Herausforderungen, die mich aber gleichzeitig keinem Risiko einer Überforderung aussetzten. Zunächst habe ich noch den ein oder anderen aus der Ausbildung bekannten Flugplatz angeflogen. Schnell war aber der Wunsch nach neuen Zielen da.
EDPA Aalen
Aalen ist in Sommermonaten an den Wochenenden einer der am höchsten frequentierten Verkehrslandeplätze in Deutschland. Das Mekka der Sportflieger.
Hier herrscht reger Segelflug und parallel dazu Motorflug unterschiedlichster Leitungsklassen. In der Platzrunde sind mitunter drei bis vier Flugzeuge gleichzeitig. Hier heißt es also noch mehr als sonst jederzeit den Überblick über An- und Abflüge zu behalten. Gleichzeitig gilt es die Platzrunde einzuhalten um die Anwohner nicht übermäßig mit Lärm zu belästigen. Eine besondere Herausforderung ist es hier die vielen gleichzeitigen Schlepp-maschinen im Auge zu behalten. Diese haben entweder ein Segelflugzeug am Haken oder befinden sich bereits wieder im gefühlten Sturzflug Richtung Boden um dem nächsten motorlosen Flugzeug Starthilfe zu leisten. An Sommertagen wirken insbesondere die ersten Morgenstunden wie ein regel-rechter Outbound-Rush wenn die Streckensegelflieger auf der Ostalb starten. Starts und Landungen im 30-60 Sekundentakt.
Inzwischen habe ich diesen Platz drei Mal angeflogen und freue mich schon wieder auf das nächste mal. Eine schöne Terrasse und viele freundliche Menschen laden regelmäßig zur Wiederkehr ein.
EDTY Schwäbisch Hall
Ich hatte zunächst Interesse an größeren Plätzen. Mit einer 1540 x 30 Meter Asphalt Bahn, entsprach EDTY genau diesem Profil. Am 28. Mai 2022 um 15:30 sollte es so weit sein. Das Wetter war gut, der Himmel zeigte nur einige unscheinbare Cumulus-Wolken. Was der Segelflieger liebt ist dem Motorfliegers natürlicher Feind. Mit der WT9 merkt man sehr gut welche Kraft die Thermik entwickelt. Meine Flugvorbereitung für EDTY viel recht umfangreich aus, da ich damit rechnete hier auf viel Verkehr zu treffen, der auch stärker motorisiert sein könnte und somit im An- und Abflug unterschiedliche Geschwindigkeiten eine Rolle spielen könnten. Dies sollte sich jedoch nicht bestätigen. Es herrschte gähnende Leere am Platz. Anders als erwartet, wurde ich im Anflug jedoch gebeten aus Lärmschutzgründen einen Direktanflug zu machen. Vorbereitet auf die etwas spezielle veröffentlichte Platzrunde, die eine weitere Platzrunde eines Segelfluggeländes innenliegend hat, musste kurzfristig umgeplant werden. Interessant an diesem Anflug war ein acht Meilen langer Endanflug. Man sieht den Platz unglaublich lange im Voraus. Der lange Endanflug brachte die gewohnten Abläufe im Cockpit etwas durcheinander. Die vertraute Einteilung der Platzrunde konnte nicht angewendet werden und das Timing der Abläufe musste angepasst werden. Die Landung war sanft, das Rollen lang. Einsam und verlassen stand die WT9 am Vorfeld in Schwäbisch Hall. Aufgrund einer Gewitterwarnung nach der Landung durch die Warnwetter-App bezahlte ich zügig die Landegebühr und machte mich nach erneuter kurzer Wetteranalyse am iPad auf den Rückweg. Dieser verlief komplett harmlos – auch wenn die Gewitterwolken in der Ferne zu sehen waren.
Mustereinweisungen
Nachdem ich große Teile meiner Ausbildung auf unserer WT-9 geflogen war und kurz vor meinem Prüfungstermin der bekannte Flächenschaden den Flieger für längerer Zeit in der Halle verstauben lies, hatte mich unser Ausbildungsleiter vor der Prüfung noch auf die C172 eingewiesen. Zusätzlich habe ich mich Ende September noch in unser PA28R einweisen lassen. Dies erhöhte für mich die Flexibilität und den schlussendlich auch den Trainingsstand.
Auf der einen Seite zeigten mit die Einweisungen die Ähnlichkeit der Vereinsflugzeuge sehr gut. Auf der anderen Seite wurde aber auch deutlich, wie individuell die Kleinflugzeuge letztendlich dennoch sind.
Jedes Cockpit, jede Checkliste ist anders. Obwohl man sich bei regelmäßigem Fliegen nach wenigen Sekunden wieder an das musterspezifisch individuelle Fluggefühl gewöhnt, ist die mentale Umstellung auf das Cockpit die zweite nicht zu unterschätzende Aufgabe. Die Musterspezifika wie Glascockpit, Einheiten am Fahrtenmesser, Fadec, Constant Speed Propeller und Mixture sorgen für Abwechslung. Jedes Flugzeug hat seine Eigenheiten an die immer gedacht werden muss. Für mich hat sich schnell herausgestellt, dass ich alle drei Flugzeugtypen regelmäßig fliegen muss um in Übung zu bleiben und bei jedem Einsteigen ein mentaler Reset sowie die Vergegenwärtigung des „Was ist Wo“ unabdingbar sind.
EDMS Straubing
Mit der D-EDQA machte ich mich zusammen mit meinem Vater auf nach Straubing. Familienmitglieder mitzunehmen gehört wohl für jeden angehenden Flieger zu den schönsten Erlebnissen. Er saß das erste Mal in einem Kleinflugzeug. Dieser Flug machte mir nochmal bewusst welche Verantwortung man auf der linken Seite, auch für seine Passagiere, trägt. Der Flugplatz in Straubing ist fliegerisch keine große Herausforderung. Dafür ist der Anflug malerisch. Das gilt besonders für den Anflug auf die Piste 27. Dieser führt über die Donau und deren Nebenflüsse. Dieser Anflug ist wohl einer der schönsten, die ich bis jetzt erleben durfte.
LOLS Schärding
Der erste Flug ins Ausland stand auf der Tagesordnung. Zusammen mit einem Vereinskollegen machte ich mich auf nach Schärding. Entlang der Donau bis zur Landesgrenze. Schärding ist ein wunderschön gelegener Flugplatz mit einem sehr schönen Restaurant und Sprungbetrieb. Für Interessierte gibt es immer etwas zu sehen. Eine Besonderheit hielt der Platz für uns bereit: Die Lage ist direkt hinter einem Wald. Aus dem Gegenanflug sieht man den Platz erst sehr spät und auch dann eher eingeschränkt. Da wir Jungpiloten aber alle mit den modernen Navigationsmedien wie SkyDemon gesegnet sind, kann die Technik helfen navigatorische Zweifel aus der Welt räumen. Der Rückflug lehrte uns auch generell etwas mehr Zeit einzuplanen. Aufgrund aufziehender Gewitter mussten wir die Route um Nürnberg anpassen. Dadurch kamen wir erst nach 19.00 Uhr zurück nach Bamberg. Großzügig wartete unser Flugleiter auf unsere Landung auf der 21 in Bamberg.
EDAC Altenburg
Der Flugplatz Leipzig-Altenburg Airport war ein weiteres Ziel mit der WT9 im Sommer. Auch dieser Flugplatz ist recht groß, da es sich um einen ehemaligen millitärplatz handelt. An diesem Platz hatte ich das erste Mal Kontakt mit Fallschirmspringern. Obwohl das Wetter nicht sehr gut war herrschte Sprungbetrieb. Aufgrund der durchbrochenen Wolkendecke in 5000 Fuß war bei den Springern ein Katz und Maus Spiel mit den Wolken zu beobachten. Als ich in den Gegenanflug eindrehte, bat mich die AFISO nördlich des Platzes zu bleiben, da jeden Moment abgesetzt werden würde. In Platzrundenhöhe umgeben von Vogelschutzgebieten kam bei mir plötzlich die Frage auf, wie das mit dem Einflug zu handhaben war. Ich erinnerte mich an die Theorie und das Fach Luftrecht. Obwohl ich rein rechtlich auf der sicheren Seite war, entschloss ich mich den Anflug abzubrechen, erneut auf Höhe zu steigen und zu warten bis alle Springer am Boden waren. In diesem Moment, verstärkt durch das nur mittelmäßige Wetter, war mir mehr Abstand zu den Springern lieber als zu wenig.
EDVE Braunschweig
Was macht man nach einer Mustereinweisung? Richtig, man geht fliegen. Ziel mit der PA28 war Braunschweig – ein Familenbesuch. Beeindruckend an diesem Flug war das Waldsterben im Harz und am Brocken aus der Luft zu sehen. Das viele vergraute Totholz war selbst aus FL085 Fuß gut zu erkennen. Dieser Flug hielt erneut eine kleine Überraschung für mich bereit. Das erste Mal wurde ich in einer Kontrollzone aufgrund von missverständlicher Kommunikation etwas nervös.
Ungefähr mittig zwischen E1 und E2 bekam ich die Anweisung: „D-EJFF fliegen Sie direkt zum Platz.“ Sofort stellte ich mir die Frage: Was meinte der Towerlotse mit dieser Anweisung? Normalerweise hätte ich erwartet, dass er mich in die Platzrunde schicken würde. Alternativ wäre auch ein Anflug entsprechend der ursprünglichen Freigabe „Einflug über Echo-Strecke“, über E2 direkt in den Endanflug der Piste 26 vorstellbar gewesen. Mir war in diesem Moment nicht klar was von mir erwartet wurde. Sollte ich mittig den Platz ansteuern, um dann in den Gegananflug einzudrehen? Ich war ratlos und entschied mich nachzufragen.
Die Antwort: „Weiter über E2, dann über BRU in den Endanflug“ war für mich so nicht erkennbar aus der ursprünglichen Anweisung. Letztendlich war das Missverständnis kein echtes Problem. Trotzdem erzeugte es eine gewisse Unruhe in einer Phase des Fluges in der eine hohe Arbeitsbelastung im Cockpit vorhanden ist und im besten Fall alles wie geplant abgespult wird. Ich habe noch einige Tage über mein Verhalten in der Kontrollzone nachgedacht. Hätte ich das verstehen müssen? Letztendlich habe ich es für mich als Unterschied zwischen „Theorie und Praxis“ abgehakt.
Fazit
2022 war mein Jahr des Fliegens. Ich konnte viele Erfahrungen sammeln, viele Flugplätze und viele tolle Menschen kennenlernen.
Einige Ratschläge unserer Fluglehrer haben sich in der Praxis viel mehr Bewahrheitet, als man sich das in der Ausbildung vorstellen konnte. Auch schadet es nicht die Theorieunterlagen ab und an erneut durchzublättern. Es bleibt immer etwas hängen.
Auf der Breitenau läuft irgendwann alles automatisiert. Die Erfahrung wächst mit dem Anfliegen von fremden, unbekannten neuen Landeplätzen. Es muss nicht gleich Egelsbach mit seiner anspruchsvollen Luftraumstruktur sein. Es gibt so viele Flugplätze mit kleineren und größeren Herausforderungen, die die eigene Erfahrung fördern und das persönliche Limit Stück für Stück verschieben. Nur durch Erfahrungen lässt sich der eigene fliegerische Horizont erweitern. Eine vernünftige Flugvorbereitung, digital oder analog und die Entscheidungen nie zu übertreiben und im Zweifelsfall abzubrechen sind die halbe Miete für einen entspannten und sichern Flug.