Aero-Club Bamberg e.V.

Flugplatz Bamberg-Breitenau

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Deutschlands Elite – Bundesjugendvergleichsfliegen 2023

Samstag, 23. September 2023, 5:20 Uhr. Eine Wecker-App ließ ein Handy klingeln: Creep von Radiohead ertönte im Jugendzimmer des Flugplatzes Paderborn-Haxterberg. Das Handy durfte das Lied von Anfang bis Ende durchspielen, ohne dass sich eine einzige der vier müden Personen im Raum auch nur ansatzweise in Richtung des Stummschaltknopfes – oder überhaupt – bewegt hätte. Nach einer darauffolgenden Minute der Stille wurde die Frage „Alter, wer wacht denn bitte mit Radiohead auf!?“ schlaftrunken in den Raum geworfen. Leo Wrba aus dem Allgäu war der erste von uns, der langsam zu Bewusstsein kam. Im vergangenen Jahr hatte er sich beim Bayerischen Jugendvergleichsfliegen in Dachau als Nachrücker für das diesjährige Bundesjugendvergleichsfliegen qualifiziert; nun quälte er sich aus seinem Schlafsack und schleppte sich vor die Tür, um den Stand der Dinge auf dem Grasstreifen neben dem Vorfeld zu begutachten, auf dem die zahllosen Segelfluganhänger in einer Reihe parkten, die in den vergangenen Tagen aus der gesamten Bundesrepublik nach Paderborn gezogen worden waren. Kurz darauf, als Boris, der sich 2022 mit dem zweiten Platz in Dachau direkt qualifiziert hatte, und ich uns noch den Sand aus den Augen rieben, tauchte Leo wieder im Zimmer auf und berichtete von regem Treiben draußen in der Dunkelheit. Mit unseren neuen Freunden und Bayerischen Teamkollegen Leo und Michl, das war sein Helfer, machten Boris und ich uns unausgeschlafen auf den Weg zu dem Anhänger aus Bad Wörishofen. Der darin enthaltene dreirädrige Club Astir wollte aufgerüstet werden. Die Dämmerung ließ auf sich warten. Mit Taschenlampen und einem kleinen Scheinwerfer, den Leo sich auf den Kopf gebunden hatte, gingen wir an die Arbeit. Noch nie habe ich die Venus so hell strahlen sehen wie an jenem Morgen. Sie überstrahlte sogar das Licht der fernen Lampen, die an den hunderten Windrädern, die weit entfernt um den Flugplatz herum gebaut worden waren, den dunstigen Horizont rot ausleuchteten. Als wir etwa 15 Minuten im Dunkeln an dem Astir herumgedoktort hatten, der sich im nasskalten Gras trotz unserer Bemühungen und der stetig steigenden Frustration einfach nicht zusammenstecken lassen hatte wollen, kamen uns ein paar Teilnehmer aus einem anderen Bundesland dankenswerterweise zur Hilfe; weitere 20 Minuten später war das Fluggerät aus dem Hause Grob endlich startbereit. Ich war froh und den Paderbornern (und Konstantin, der das von unserer Seite aus in die Wege geleitet hatte) sehr dankbar, dass Boris auf ihrer ASK 21 fliegen durfte, die aufgerüstet in der Halle stand. Am liebsten hätten wir uns alle sofort wieder schlafen gelegt, aber dazu war der Zeitplan zu straff – und das Frühstücksbuffet zumindest für Boris, Michl und mich dann doch zu verlockend.

Das Frühstück nahmen wir in jener Halle zu uns, in der am Vorabend jede Top 3 ihres jeweiligen Landesentscheides mit tosendem Applaus begrüßt worden war, die nun in Paderborn ihr jeweiliges Bundesland vertreten durfte. Nacheinander wurden die Pilotenteams von einem Mann Anfang 60 mit federbestücktem Cowboyhut und bester Laune auf die entlang der Hallenwand aufgebaute Bühne gerufen, während Hell‘s Bells von ACDC laut im Hintergrund spielte. Auf diese außergewöhnliche und actiongeladene Begrüßung folgte das Briefing: Was in den Einweisungsstarts bereits bezüglich Platzrundeneinteilung, richtigem Vorgehen beim Seilriss, Besonderheiten am Flugplatz und generellem Ablauf erklärt worden war, wurde hier nochmal wiederholt und mittels an eine Leinwand projizierten Landkarten visualisiert. Welche Manöver will die Wettbewerbsleitung von den Piloten sehen, welche Übung kommt zuerst, welche danach, welche zuletzt, für welche Fehler gibt es wie viele Strafpunkte, worauf wird besonders Wert gelegt, wie sollen sich die einzelnen Segelflugzeuge positionieren, wer hat welche Startnummer und ab wann darf, soll, muss welcher Flieger wohin geschoben werden. Dass die Flugsicherheit bei der ganzen Veranstaltung natürlich oberste Priorität hat, dann der Spaß und das gegenseitige Kennenlernen kommen, dann lange nichts und dann zuallerletzt der Wettbewerbsgedanke. Nach dem Briefing begann der gemütliche Teil des Abends, den wir vier in Anbetracht des um 7:00 Uhr geplanten ersten Starts am Folgetag dann doch eher kurz hielten.

„Zu welchem Landesverband gehörst du?“ fragte mich jener Mann mit dem gefiederten Hut am Freitagabend, der sich auf der Bühne als Volker Schliephake, jahrzehntelanger Betreuer der Bundesjugendvergleichsfliegen, vorgestellt hatte. „Bayern“, antwortete ich. „Du bist Fluglehrer, nicht wahr?“ „Nein, Jugendleiter.“ „Ah… das ist ja fast so gut!“ Ich ahnte, was mir blühte. Jury. Rollübungen zählen. Seitengleitflüge beurteilen. Schauen, in welches Ziellandefeld der Sporn in der Regel mit aller Gewalt in den Boden gedrückt wird, um danach wieder abzuheben und ein, zwei, drei Felder weiter erneut den Boden zu berühren und dieses Mal auch auf jenem zu verbleiben. Ja, beim Bundesvergleichsfliegen zählt der Sporn und nicht das Hauptrad – dieses Jahr zumindest. Nachdem wir aus ganz Bayern nur zu viert waren, Boris und Leo selbst flogen und Michl eigentlich ein Fußgänger ist, der mit dem Fliegen überhaupt nichts zu tun hat und auch „bloß nicht!!“ damit anfangen möchte, sondern nur aus Freundschaft zu Leo zum Helfen mitgekommen war, konnte der Kelch, den Freistaat Bayern in der Jury zu vertreten, nicht an mir vorüberziehen. So verbrachte ich den Großteil des Samstags mit zittrigen Händen auf einer windgekühlten Bierbank mit dem Beobachten von Flugmanövern, dem Beurteilen von Landungen und dem Anhören verschiedenster Äußerungen über eben jene zu meiner Rechten und Linken in fast jedem Dialekt, den die Bundesrepublik zu bieten hat.

Mit Kreiswechsel ging es los. Vollkreis, erst links, dann rechts, mindestens 45 Grad Schräglage. Dann der zweite Flug, die hochgezogene Fahrtkurve, mit Linkskreis. Dann der dritte Flug, die Rollübungen, vier Stück, erst links, dann rechts; für diese letzte Übung wurde die zu fliegende Platzrunde dahingehend verändert, dass der Querabflug deutlich verlängert und der Gegenanflug, in dem gerollt werden sollte, direkt auf die Jury zugeflogen wurde. So sollten wir die Querneigung, die mindestens 30 Grad zu betragen hatte, vom Boden aus leichter einschätzen können. Einer nach dem anderen startete, flog die jeweils geforderte Übung und landete. Das Niveau war so hoch, wie man es von Deutschlands Elite erwarten konnte. Selten war ein Flug nicht in jeglicher Hinsicht vorbildlich.

Man muss den Haxterbergern eines zugutehalten: So eine Flugbetriebsorganisation habe ich noch nie erlebt. Zwei Doppeltrommelwinden, zwei Seilwägen, zwei endlose Reihen an Abstellflächen für die Flugzeuge, die noch fliegen sollten, vs die, die bereits geflogen sind, ein Start nach dem anderen in kürzester Zeit ohne nennenswerte Verzögerung und doch nicht so schnell, als dass man keine Zeit zum Beobachten und Bewerten derjenigen Piloten gehabt hätte, die sich bereits in der Luft befanden. Eine der zwei Winden fiel zeitweise aus, was wir aber nur mitbekamen, weil der Startleiter es uns durchgefunkt hatte; an der Startfrequenz hätten wir es nicht ablesen können – die Reparatur erfolgte in Rekordgeschwindigkeit. Für jeden der drei Durchgänge wurde die Startreihenfolge der Piloten aus Gründen der zu maximierenden Fairness verändert. Nichtsdestotrotz herrschte am gesamten Flugplatz eine entspannte und gelassene Stimmung, als wäre es der Paderborner täglich Brot, solch gewaltige Wettbewerbe auszurichten. Und trotz Verschiebung des ersten Starts von 7 auf 8 Uhr, einstündiger Mittagspause und ausgelassener Feldbriefings zwischen jedem Durchgang waren wir um sage und schreibe 17:30 Uhr mit sämtlichen 117 Flügen durch. Wir waren so schnell fertig, dass wir zwei Stunden auf das Abendessen warten mussten! (Cowboy-)Hut ab, allergrößten Respekt. Auch die Party am Abend konnte sich sehen lassen, die Boris, Michl und ich aufgrund unserer großen Erschöpfung ob des anstrengenden Tages um Mitternacht in Richtung Jugendzimmer verließen, wo wir sofort einschliefen. Leo war in besserer Feierlaune und stieß irgendwann tief in der Nacht zu uns. Das Fenster des Parterrezimmers ließen wir stets unverschlossen, um uns trotz nachts abgesperrter Haustür das Ein- und Aussteigen zu ermöglichen.

Am Sonntag um halb elf folgte die Siegerehrung. Dem gezeigten Niveau entsprechend war es schwierig, die Flüge in ein Ranking zu bringen, sodass sich die Punktzahlen der insgesamt 39 Piloten aus 14 teilnehmenden Bundesländern nur minimal unterscheiden. Mehrere Plätze wurden doppelt belegt, unter anderem der 12. Platz, den sich Boris als bester Bayer mit vier anderen Jungpiloten teilt. Eine starke Leistung und mit Abstand die beste Platzierung, die je ein Pilot vom Aero-Club Bamberg bei einem Bundesvergleichsfliegen erreichen konnte – sie zeugt nicht nur von der hohen Qualität unserer Segelflugschulung, sondern auch von Disziplin, Ehrgeiz und Verantwortungsbewusstsein aufseiten des Piloten. Wir können alle stolz auf unseren Boris sein. Ich bin es allemal. In der Länderwertung erreichte Bayern Platz 9; Platz 3 ging an Sachsen, Platz 2 an Hessen und der Gesamtsieg an Rheinland-Pfalz, wo das Bundesjugendvergleichsfliegen im kommenden Jahr ausgetragen werden wird. Vielleicht wird Bamberg wieder mit von der Partie sein…?

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