Unsere Fliegerkameraden Gerhard, Franz, Max und Kay nutzten das Wellenfenster im Thüringer Wald, um die Landschaft aus großer Höhe zu bewundern. Gerhard erzählt uns in diesem ersten Teil seines Berichts von seinen Erlebnissen.
Flugzeug: ASH 31 Mi, 21m Spannweite
Pilot: Gerhard Herbst
Flugzeit: 5 Stunden 45 Minuten
Motorlaufzeit: 20 Minuten
Startort: Bamberg (EDQA) um 09.17 UTC
Landung: Bamberg (EDQA) um 14.40 UTC
Ort: Wellenfenster Thüringer Wald
Maximal erreichte Höhe: 6820m, FL 225
Völlig unerwartet traf am Freitagabend die WhatsApp-Nachricht von Max ein, dass am Sonntag hinter dem Thüringer Wald Wellenfliegen möglich wäre. Sofort hab ich da natürlich zugesagt und hab mich darüber gefreut, dass dieser Tag, den ich so gar nicht auf dem Plan hatte, nicht fliegerisch ungenutzt an mir vorbeiziehen würde. Ein kleines Häuflein von unentwegten Piloten (Max, Franz und Kay) machte sich am Sonntag früh mit dem Auto und angehängtem Segelflieger auf den Weg nach Alkersleben, um sich an der Thüringer Welle zu versuchen.
Ich selbst hatte mich dafür entschieden, in Bamberg zu starten (09.17 UTC) und mit dem Wind nach Thüringen zu fliegen. Bereits über Coburg (ca. 50km vor Alkersleben) klappte ich in ca. 2.000m MSL den Motor ein und flog im Segelflug bis Thüringen. Ich musste sparsam mit meinem begrenzten Sprit umgehen, da ich nicht wusste, ob ich ihn für den Heimflug am Nachmittag gegen den Wind noch brauchen würde. Auf dem Kamm des Thüringer Waldes sah ich im Flarm bereits die ersten Flugzeuge, die sich schon 1000m über mir in ca. 15km Entfernung in der Welle tummelten. Leider waren die alle außerhalb meiner Reichweite, also musste ich mir meine “eigene Welle” suchen. Hinter Ilmenau waren die ersten Rotoren (Verwirbelungen der Welle am Boden) durch kleine Wolkenfetzen gezeichnet. So konnte ich in 500m über Grund zielgenau den ersten Aufwind (2m/s) ansteuern. Nach ca. 300m Steigen im Rotor wurden die Steigwerte schwächer, also flog ich gegen den Wind und kam sofort ins laminare Steigen. Mit gemächlichen 0,5 bis 1m/s Steigen begann dann der langsame Aufstieg bis auf 3.900m. Dann war kein weiteres Steigen in dieser Welle möglich. Ca. weitere 2.000m über mir, also in 6.000m, waren aber noch Lentis. Diese zeigten mir an, dass die Welle noch höher hinauf gehen würde. Also war wieder ein schneller Vorflug Richtung Südwest angesagt (TAS nicht GS, inzwischen mehr als 100 km/h Gegenwind), um wieder in die nächste Aufwindzone zu gelangen. Unerwartet schnell kam diese, in der ich durchschnittlich mit 1,5 m/s weitersteigen konnte.
Für alle, die noch keine Wellenerfahrung haben: Im Thermikflug “knarzt” der Flieger, die Tragflächen biegen sich durch und “arbeiten”. Im laminaren Steigen in der Welle ist es im Cockpit absolut still. Die Tragflächen liegen absolut regungslos in der Luft. Mit nur kleinen Seitenruderausschlägen lässt sich der Flieger durch die Kurven manövrieren. Man hört die Steuergestänge in ihren Führungen laufen, das lenkbare Spornrad quietsch; ich muss wieder mal einen Tropfen Öl in die Lagerung geben.
Nun ist es so, dass ab 3.000m Höhe (MSL) der obere Luftraum Charlie (hauptsächlich für die “große Fliegerei” = Verkehrsfliegerei) anfängt. Da Segelflugzeuge diese in ihrem “Geradeausflug” stören würden, wird zu diesem Zwecke extra über dem Thüringer Wald ein Wellenfluggebiet für Segelflieger aktiviert und die Verkehrsfliegerei wird außenrumgeleitet. Dieses „Wellenfenster” reicht im ersten Schritt bis FL 160 (Flugfläche 160 = ca. 5.000m) und dann noch weiter bis FL 220 (ca. 6.600m). Das Wellenfenster, in dem man fliegen darf, ist ca. 45km lang und 25km breit. Es darf nicht ohne Genehmigung verlassen werden. Ausflug ohne Genehmigung ist eine Luftraumverletzung und wird mit bis zu 10.000 Euro bestraft.
Inzwischen wurde auf meine Anforderung auch der “obere Luftraum Thüringer Wald” bis FL 220 freigegeben. In 6.500m befinde ich mich an der oberen Grenze des freigegebenen Luftraums. Der Blick nach draußen ist unbeschreiblich. Zwischen zwei Lentis jeweils über und unter mir fliege ich diese völlig unstrukturierten Wolken an der Vorderkante entlang ab. Da die Windgeschwindigkeit auf über 125km/h gestiegen ist, ist mein Vorhaltewinkel im Langsamflug bei über 60 Grad. Das Steigen ist auf unter 1m/s gesunken.
Eine Anfrage nach einer weiteren Erhöhung des Wellenfensters wird negativ beschieden. Ich wechsele daraufhin auf die Frequenz von FIS Langen, wissend, dass FIS für den Luftraum bis FL 100 zuständig ist. Selbst nach einem Squawk Ident kann der Lotse meine Position nicht ausmachen. Erst als ich meine Flughöhe mit FL 220 wiederhole, geht dem Lotsen ein Licht auf und er schickt mich auf die (Funk-)Frequenz von München Radar. Auf meine Anfrage auf eine (Einzel-)Freigabe bis FL 250 (ca. 7.300m) wird mir die Freigabe “erstmal” bis FL 230 erteilt. Den Grund für die eingeschränkte Höhenfreigabe könne ich “vorbeifliegen sehen”. Tatsächlich kreuzt eine Boeing 747-400 meinen Flugweg mit nur wenigen hundert Metern Überhöhung. Nachdem die 747, die völlig unerwartet hinter der oberen Lenticulariswolke auftaucht, mich im ersten Moment noch überrascht hat, fühle ich “grenzenlose Freiheit”.